life in plastic. it’s fantastic?

ein gespräch mit der meeresaktivistin angelika heckhausen über plastik im wasser und was wir dagegen tun können.

angelika heckhausen hatte vor fünf jahren genug vom reden und wollte handeln. die wahl-berlinerin schloss sich dem gemeinnützigen meeresschutz verein project blue sea an und ist heute dort im bereich meeresmüll expertin für mikroplastik im meer.

in der arbeitsgruppe zur meeresstrategie rahmenrichtlinie des umweltbundesamts ist sie aktiv. im dialog mit den dachverbänden der kosmetik- und kunststoffverarbeitenden industrie versucht angelika heckhausen immer wieder die verantwortlichen zum umdenken zu bewegen.

am berliner pichelssee wohnt angelika heckhausen mit ihrem mann in einem wohnwagen mit vorbau. „als physikingenieurin gehe ich den dingen gerne auf den grund und will die zusammenhänge ganz genau verstehen“, erklärt die 60-jährige ihre passion für den umweltschutz. eine zweite leidenschaft ist die kunst: als freischaffende künstlerin verarbeitet sie in ihren skulpturen gesammelten plastikmüll und macht auch auf diesen weg auf die plastikflut in unseren gewässern aufmerksam.

vor kurzen hat angelika ein bildungsprojekt für kinder zum thema müll in gewässern ins leben gerufen und in einem kinderbuch verständlich erklärt, wie der müll ins meer gelangt und was man dagegen tun kann.

angelika, wie wird man meeresaktivistin?

ich wohne an der havel. alles sehr idyllisch. aber wenn man einmal den plastikmüll gesehen hat und die auswirkungen kennt, kann man nicht mehr wegsehen. nach einem aufenthalt auf fuerteventura, bei dem ich mir nicht mehr sicher war, ob ich am strand auf plastik oder sand spaziere, hat es mir gereicht. ich wollte nicht nur reden, sondern verantwortung übernehmen.

was sind denn die auswirkungen?

fische, meeresschildkröten, seevögel – all diese tiere verwechseln die plastikteile mit nahrung. 9 von 10 eissturmvögel, die an der küste tot aufgefunden und untersucht wurden, hatten plastik in den mägen. einige tiere können das gefressene plastik nicht wieder ausscheiden und verhungern schließlich mit vollem plastikmagen. auch kann der verdauungstrakt verstopft werden, und die tiere sterben dann daran. und schließlich verheddern sich unzählige tiere in plastikmüll und verenden darin. bei der zersetzung unseres plastikmülls im meer werden gefährliche stoffe freigesetzt. weitere im wasser befindliche umweltgifte wie pestizide und chemische weichmacher haften sich an die plastikteilchen und und können somit über die nahrungskette wieder beim menschen landen.
kunststoff pellets, kleine mikroplastikteile, die angelika aus gewässern gefischt hat. schön anzusehen, aber todbringend für seevögel und andere meeresbewohner 

wie willst du das ändern?

vor allem durch aufklärung. unsachgemäß entsorgte verpackungsmaterialen, wattestäbchen, feuchttücher und zigarettenreste sind teil des problems, das ist den meisten noch bekannt. wenigen ist jedoch klar, dass dusch- und gesichtspeelings, zahnpasta und sogar dekorative kosmetik wie eyeliner und lippenstifte mikroplastikpartikel enthalten. diese gelangen ins abwasser, werden von den kläranlagen nicht hinreichend herausgefiltert und gelangen so über die flüsse ins meer. 

und werden dann dort aufwendig entsorgt?

eben nicht. es gibt bis jetzt keine technische lösung für eine reinigung. und bevor die kosmetik- und die kunststoffverarbeitende industrie die selbstverpflichtungen nachprüfbar einhält, verrottet eher das plastik. das kann lange dauern, bei nylon zum beispiel 600 jahre. wenn die unternehmen kunststoffe durch biokunststoffe ersetzen anstatt durch natürliche stoffe, dann tritt wenig verbesserung ein, denn die biokunststoffe, die manche firmen der regierung und uns als verbesserung verkaufen, zersetzen sich erst nach ca. fünfzig bis sechzig jahren und sind in dieser zeit genau so schädlich für die tiere wie die vorgängermaterialien.

was muss denn passieren, damit die unternehmen das problem ernst nehmen und ihre produktstrategien anpassen?

echte veränderung erreichen wir vor allem durch medialen druck auf die unternehmen. trotz finanzieller und technischer möglichkeiten bieten viele konzerne keine alternativen zum einweg-wegwerfplastik und mikroplastikpartikeln. jeder von uns muss sich selbst bewusst machen, alles, was wir tun, hat konsequenzen. wir müssen verantwortung für unsere entscheidungen übernehmen. häufig gibt es schon alternativen: ich kann mich informieren, welche produkte natürliche stoffe statt mikroplastik enthalten und im supermarkt reagieren. gleich neben den plastikwattestäbchen stehen welche aus pappe. das ist in jeder kategorie so, egal ob bei kosmetik, bei kleidung oder bei anderen gebrauchsgegenständen des alltags. unsere kaufentscheidungen werden der größte hebel sein, um die unternehmen zum umdenken zu bewegen.

was hat es mit deinem bildungsprojekt für kinder zum thema müll auf sich?

ich glaube, es ist wichtig, die nachfolgende generation für die zusammenhänge des plastikaufkommens in flüssen und meeren zu sensibilisieren. zum thema müll in gewässern habe ich deshalb ein buch für kindern zwischen 6 und 10 jahren verfasst. ein schwimmbad-reinigungsrobotor erklärt kindgerecht anhand einer reise vom sauberen swimmingpool bis ins meer, woher der müll kommt und welche folgen das für natur, meeresbewohner und menschen hat. dazu gibt es tiefergehende informationen für lehrer und eltern. damit es möglichst viele kinder erreicht, ist das buch kostenlos erhältlich. das bildungsprojekt enthält auch einen bildungskoffer, der zum thema meeresschutz konzipiert ist, um die spielerische auseinandersetzung mit dem thema zu fördern. auch dieser kann kostenfrei ausgeliehen werden.

was kann denn jeder einzelne konkret tun?

möglichst wenig in plastik abgepackte lebensmittel erwerben, das ist der erste schritt. die korrekte entsorgung des plastiks sollte eine selbstverständlichkeit sein. plastiktüten – auch die kleinen beutel für obst- einfach vermeiden und durch stoff-taschen ersetzen. beim kauf von kosmetika, kleidung und anderen produkten sollte jeder die inhaltsstoffe und materialen hinterfragen und endsprechend handeln.

als verein laden wir auch ein, auf unserer digitalen meerespinnwand verschmutzungen von stränden und gewässern zu dokumentieren und führen regelmäßig strand- und flussufersäuberungen durch, bei denen jeder mitmachen kann. bei projekt blue sea suchen wir ständig tatkräftige unterstützung. und da wir uns aus mitgliedsbeiträgen und spenden finanzieren, hilft uns auch jeder betrag weiter, um das thema meeresschutz voranzutreiben.

was wünscht du dir?

dass die politik auch kleine schritte zum meeresschutz und vermeidung von mikroplastik in angriff nimmt. die gängige argumentation ist wie folgt: ‚wenn wir was machen, muss es im großen rahmen, also auf eu-ebene oder global abgestimmt sein’. das dauert sehr lange. diese zeit haben wir aber nicht mehr. wir müssen sofort handeln.

danke, angelika.

links zum thema:
project blue sea: gemeinnütziger verein, dessen ziel es ist, etwas positives für die meere und ihre bewohner zu erreichen 
beat the microbeat: internationale kampagne gegen microbeats in kosmetik
pelletwatch: monitoring programm über den verschmutzungsstatus der ozeane.
angelikas kostenloses kinderbuch zum thema, wie der müll ins meer gelangt und was man dagegen tun kann. 
plastic seduction: angelikas lieblingsclip zum thema plastik im meer